Ypsomed baut zweiten High-End-Werkzeugbau mit Fehlmann Technologie auf


Parallel zum bestehenden Standort in Burgdorf investiert Ypsomed am Standort Solothurn in einen zweiten, nahezu identischen Werkzeug- und Formenbau, um den Ausstoss an Spritzgusswerkzeugen zu verdoppeln. Damit setzt Ypsomed konsequent auf den Technologiestandort Schweiz und schafft attraktive Arbeitsplätze in Solothurn. Michael Maurer (Project Manager Tool Manufacturing) und Elias Wermuth (Manager Tool Manufacturing) zeigen im SMM-Exklusivinterview auf, welche Aspekte bei der Investition eine entscheidende Rolle gespielt haben.


SMM: Ypsomed investiert am Standort Solothurn in eine zweite Produktionsstätte für die Herstellung von Spritzgusswerkzeugen. Können Sie kurz erläutern, worum es dabei genau geht?

Michael Maurer: Investiert wird in einen komplett neuen Werkzeugbau (Tool Manufacturing), um den Output, den wir aktuell am Hauptsitz in Burgdorf generieren, zu verdoppeln. In Solothurn wird die Produktion von Burgdorf sozusagen gespiegelt.  An beiden Standorten werden unter weitgehend gleichen Bedingungen zukünftig parallel Spritzgusswerkzeuge hergestellt. Investiert wird in 5-Achs-Fräsmaschinen, Schleifmaschinen, Senk- und Drahterodiermaschinen sowie in weitere Werkzeugmaschinen für den Ausbildungsbereich.

Elias Wermuth: Das grösste Investitionsvolumen entfällt auf ein Flexibles Fertigungssystem, bestehend aus einer Fehlmann VERSA 945 und zwei Fehlmann VERSA 745, letztere zusätzlich mit Schleifoption. Zusätzlich werden eine Waschmaschine sowie eine Messmaschine in den Fertigungsprozess integriert. Im Bereich Senkerodieren wird in eine voll Zimmer & Kreim sowie OPS Ingersoll investiert. 
Die Attraktivität unserer Arbeitsplätze beinhaltet eine grosse Selbstverantwortung. Neben der Anwendung von CAD, CAM und Messtechnologie liegt auch die Feinplanung im Aufgabenbereich eines Maschinenbedieners. 

Bevor wir näher auf Ihren Bereich «Tool Manufacturing » eingehen, können Sie uns einen Überblick über das Unternehmen Ypsomed geben und welche Rolle der Bereich Tool Manufacturing spielt?

E. Wermuth: Ypsomed hat ihren Hauptsitz in Burgdorf und verfügt über ein globales Netzwerk aus Produktionsstandorten, Tochtergesellschaften und Vertriebspartnern mit weltweit rund 2500 Mitarbeitenden. Das Unternehmen hat sich auf die Herstellung von innovativen Injektions- und Infusionssystemen für die Selbstmedikation spezialisiert. Beispielsweise für die Behandlung von Diabetes oder anderen chronischen Krankheiten. Die Produktpalette umfasst Pens, Autoinjektoren und Pumpensysteme zur Verabreichung von flüssigen Medikamenten. 
Eine Schlüsselrolle zur Herstellung der Produktpalette spielt unser Werkzeugbau, wo aktuell rund 90 Mitarbeitende, davon 20 Lernende, arbeiten. Der hohe Anteil an Lernenden ist eine strategisch bewusste Entscheidung, um unsere zukünftigen Fachkräfte im Tool Manufacturing gezielt aufzubauen und zu fördern. 

Wenn ich das richtig verstehe, stellt Ypsomed die Pens und Autoinjektoren im Spritzgussverfahren her und im Tool Manufacturing werden die entsprechenden Spritzgusswerkzeuge konstruiert und hergestellt?

E. Wermuth: Richtig, wir sind sozusagen der interne Lieferant von Spritzgusswerkzeugen für die Pen-Produktion von Ypsomed. Zudem bieten wir den Service an, die Spritzgusswerkzeuge zu revidieren, aber nicht nur. Ohne unsere Spritzgusswerkzeuge gäbe es keine Pens und Autoinjektoren. 
Die Spritzgusswerkzeuge, die in diesem Segment zum Einsatz kommen, gehören qualitativ zur absoluten Spitzenklasse. Um ein mittelgrosses Spritzgusswerkzeug herzustellen, benötigen wir rund 1800 Arbeitsstunden. Zur Einordnung: Ein Jahr hat 8760 Stunden. Das heisst, man braucht etwa eine Person für ein Werkzeug pro Jahr. Unser aktueller Output liegt bei rund 50 Spritzgusswerkzeugen pro Jahr. 
Das Know-how der letzten 30 Jahre gehört zu den Kernkompetenzen von Ypsomed. Präzision, Oberflächengüte, gepaart mit Komplexität sind die Grundlagen, mit denen wir im Werkzeugbau täglich konfrontiert sind. Wir bauen unsere Fertigungstiefe laufend aus. Unser Werkzeugbau ist verantwortlich für die Betriebsmittel rund um die Herstellung und Montage der Pens und Autoinjektoren. Dies umfasst eine Bandbreite von Prüfhilfsmitteln bis hin zu automatisierten kleineren Anlagen für die Montage der Pens und Autoinjektoren. 

Wer entwickelt die Pens und Autoinjektoren konkret? 

M. Maurer: Unsere Pens und Autoinjektoren werden vom Product Development von Ypsomed entwickelt, das ausserhalb der Tool-Manufacturing-Organisation angesiedelt ist. Das Product Development hat die Federführung. Das liegt letztlich daran, dass sich die Anforderungen an ein medizintechnisches Instrument ganz klar aus dem Nutzen und der Sicherheit für die Patientinnen und Patienten ableiten. Wir sind betriebsinterner Dienstleister und entwickeln die Werkzeuge, um unsere Pens und Autoinjektoren prozesssicher in grossen Stückzahlen herzustellen. 

Wenn ein Werkzeug fertig ist, wie geht es dann weiter, wie werden die Werkzeuge konkret getestet? 

E. Wermuth: Ein fertiges Spritzgusswerkzeug wird auf unseren Spritzgussmaschinen im angegliederten «Technikum» qualifiziert. So wird jedes neue oder überholte Werkzeug im Technikum bemustert und qualifiziert, wobei die Qualität der Spritzteile geprüft wird. Die Testläufe dauern mehrere Stunden. Bei diesen ersten Produktionstests werden unsere Spritzgusswerkzeuge auf Herz und Nieren geprüft. Hier zeigt sich, ob die 1800 Stunden, die wir in ein Werkzeug investiert haben, auch qualitativ richtig umgesetzt wurden.

Und dann gehen die Spritzgusswerkzeuge in die Produktion?

M. Maurer: Richtig, wenn die Spritzgusswerkzeuge im Rahmen unserer Prüfungen freigegeben wurden. In der Produktion muss ein Spritzgusswerkzeug typischerweise fünf bis zehn Millionen Zyklen prozesssicher durchlaufen. Wenn unsere Kolleginnen und Kollegen während des Produktionsprozesses erkennen, dass Optimierungsbedarf besteht, kommen unsere Spezialisten zum Einsatz. In solchen Fällen arbeiten wir sehr eng mit der Produktentwicklung und der Produktion zusammen und evaluieren, was wie angepasst werden muss, um den Produktionsprozess zu perfektionieren.
E. Wermuth: Es kann sein, dass etwas am Design des Pen-Injektors und/oder am Spritzgusswerkzeug geändert werden muss. Das hängt von verschiedenen Faktoren ab, auch die Prozessbedingungen beim Spritzgiessen spielen eine Rolle. Das ist von Fall zu Fall unterschiedlich und sehr komplex. Bei solchen Optimierungsläufen ist die Erfahrung unserer Mitarbeitenden immens wichtig. 

Können Sie sagen, in welchen Toleranzbereichen Sie produzieren und was das für Ihre Mitarbeitenden bedeutet?

M. Maurer: Über die gesamte Entwicklungszeit müssen wir sehr enge Toleranzfelder einhalten. Hinzu kommt, dass wir oft Kleinserien fertigen müssen, das sind eine bis maximal zehn gleiche Werkzeugformen. Zudem müssen wir bei diesen Kleinserien automatisiert fertigen, um die Wirtschaftlichkeit zu erhöhen. Damit bewegen wir uns fertigungstechnisch an der Grenze des Machbaren. 

Sie setzen konsequent auf FEHLMANN Werkzeugmaschinen und investieren wieder in neue FEHLMANN Maschinen, wie Sie mir im Vorfeld sagten. Können Sie diese Entscheidung erläutern?
E. Wermuth: Wir setzen im Werkzeugbau in der Hart- und Weichzerspanung seit langem auf FEHLMANN Werkzeugmaschinen. Wir tun dies ganz bewusst, denn die FEHLMANN Bearbeitungszentren haben sich in den letzten 20 Jahren als die genauesten Werkzeugmaschinen für unsere Bedürfnisse erwiesen. Mit den Fehlmann VERSA Bearbeitungszentren erreichen wir die geforderten Toleranzfelder beim Fräsen auch in unserer Kleinserienfertigung.
Nachdem Fehlmann bestimmte VERSA Modelle zusätzlich mit einer integrierten Schleifoption ausgestattet hat, ist die Prozesssicherheit nochmals gestiegen. 

Welche Anforderungen werden konkret an die Bearbeitungszentren gestellt?

E. Wermuth: Sie müssen rund um die Uhr laufen. Dann brauchen wir Präzision, Präzision und nochmals Präzision. Wenn wir zehnmal das gleiche Bauteil fertigen, muss sich die Wiederholgenauigkeit innerhalb eines Toleranzfeldes von 3 μm befinden. Diese Wiederholgenauigkeiten erreichen die FEHLMANN Maschinen nach unseren Erfahrungen sehr prozesssicher.
Auch das Einfahren der Bauteile ist bei den VERSA Maschinen sehr übersichtlich, weil man nah am Bearbeitungsraum und am Bauteil ist. Hier hat Fehlmann mit der VERSA-Linie ein wirklich gutes Werkzeugmaschinen-Konzept entwickelt.

Nun zum eigentlichen Investitionsprojekt, Sie haben gesagt, Sie bauen in Solothurn eine identische Produktion wie in Burgdorf auf, warum und wie machen Sie das?

E. Wermuth: Präzision, Wiederholgenauigkeit und Produktivität sind die wichtigsten Kriterien für unseren Werkzeug- und Formenbau. Unser heutiger Maschinenpark in Burgdorf ist perfekt auf diese Bedürfnisse abgestimmt und erfüllt unsere Anforderungen vollumfänglich. Dass wir in Solothurn fast genau die gleiche Produktion planen, liegt letztlich auch an den guten Erfahrungen, die wir in der Vergangenheit mit den FEHLMANN Maschinen und der Senkerodieranlage von Zimmer & Kreim in Kombination mit OSG Ingersoll gemacht haben.
M. Maurer: Ein ganz entscheidender Faktor ist, dass wir für beide Standorte – Burgdorf und Solothurn – sowohl im Bereich Fräsen als auch im Bereich Senkerodieren einen Ansprechpartner haben. Es ist unser Ziel, dass unsere Mitarbeitenden rasch produktiv arbeiten können. Wenn wir an beiden Standorten mit den gleichen Maschinen und Systemen arbeiten, ist das viel einfacher zu realisieren.

Auch im Bereich Erodieren wird investiert, wie Sie bereits erwähnt haben. 

M. Maurer: Hier investieren wir in eine komplette Erodierlinie, bestehend aus einer OSG-Fräsmaschine für Senkelektroden, drei OSG-Senkerodiermaschinen, einer 3D-Messmaschine und einer Waschanlage. Die Anlagen sind über eine Linearautomatisierung von Zimmer & Kreim miteinander verbunden. Wie oben beschrieben, haben wir in Burgdorf bereits Zimmer & Kreim in Kombination mit OSG Ingersoll im Einsatz und sehr gute Erfahrungen mit den Systemen gemacht.

Welche Rolle spielt die Ausbildung im Tool Manufacturing?

E. Wermuth: Generell ist unsere Region im Bereich der klassischen Fertigung sehr gut aufgestellt. Werkzeug- und Formenbau ist allerdings ein von speziellem Fachwissen getriebener Technologiebereich im Fertigungsspektrum. Deshalb ist es uns wichtig, unsere eigenen Fachkräfte auszubilden. Die Anforderungen sind hoch. Wir haben Auszubildende, die ihre Abschlussarbeit im Bereich Senkerodieren oder Drahterodieren schreiben. Eine Lernende macht ihren Abschluss demnächst im Bereich der Montage. Bereits ab dem dritten Lehrjahr werden die Lernenden auf den 5-Achs-Fräsmaschinen eingesetzt.
Um das zukünftige Arbeitsgebiet abwechslungsreich zu gestalten, achten wir darauf, dass unsere Mitarbeitenden möglichst vielseitig eingesetzt werden. Unser Credo ist: 'Wir bilden Mitarbeitende und nicht Lernende aus.' 

Was bedeutet die Investition für den Werkplatz Schweiz?

M. Maurer: Mit der Investition wird nicht nur eine der modernsten Werkzeug- und Formenbau-Produktionen realisiert, sondern es werden in Solothurn auch weitere Vollzeitstellen mit voll integrierter Lehrlingsausbildung geschaffen. Apropos Lehrlingsausbildung: Auch diese wird mit FEHLMANN Maschinen ausgerüstet, um die künftigen Berufsleute produktionsnah auszubilden. Ab dem ersten Tag werden die Lernenden voll in den Werkzeugbau integriert. Da es immer schwieriger wird, Facharbeiterinnen und Facharbeiter für den Werkzeug- und Formenbau in diesem High-End-Segment zu finden, die unseren Anforderungen entsprechen, müssen wir konsequent ausbilden. Wir werden rechtzeitig kommunizieren, dass wir in Solothurn neu Polymechaniker ausbilden. Deren zukünftige Arbeitsplätze sind auf Topniveau, sie werden dort an High-End-Maschinen und in einem modernen Produktionsumfeld arbeiten können. Die Investition in Solothurn ist ein wichtiger Beitrag zur Stärkung des Werkplatzes Schweiz.  

Ypsomed AG
Brunnmattstrasse 6
3401 Burgdorf, Switzerland
www.ypsomed.com 


Bilder und Bericht von Ypsomed und Matthias Böhm www.maschinenmarkt.ch 


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